Von Martin Jedicke HAMELN. Wer’s auf Facebook nicht gelesen hat, bekommt die Hiobsbotschaft persönlich am Eingang ins Lalu beigebracht. Ray Wilson ist erkrankt und musste kurzfristig absagen. 380 Karten waren bereits abgesetzt. 250 Menschen erscheinen trotzdem an dem verregneten Samstagabend in der Traumfabrik, um zu bleiben. Keine Hausbesetzung, sondern auf Einladung von Hefehof-Chef Dr. Jobst-Walter Dietz. Der hatte – feine Geste – für Ersatz gesorgt. Zunächst ist da nur eine Idee: Man könnte ja mal Bernd Wiedenhöft anklingeln, den Boerney von den Tri Tops, die schon oft im Lalu zu Gast waren. Boerney aber macht gerade Urlaub auf den Malediven. Ein bisschen weit nach Hameln. Doch Boerney hat eine Idee, kontaktiert seinen Musikerkumpel Michi Weber in Hamburg. Der Bassist will am selben Tag eine Jam-Session mit dem Schlagzeuger Holger Engellandt und dem australischen Gitarristen und Sänger Michael Vdelli von der Bluesrockband VDELLI abhalten. Allerdings nicht in der Mittagszeit. Weber ruft Vdelli an, der um ein Uhr noch schläft. Rockmusikerleben halt. Alle drei haben Bock, ihre Jam-Session nach Hameln zu verlegen, die Gage ist schnell ausgehandelt, und so kommen die Lalu-Gäste doch zu einem gelungenen Abend, denn das Trio erweist sich als kompetente Combo. Man mag kaum glauben, dass die drei erst einmal zuvor zusammengespielt haben. Keine Setlist, aber eine Songauswahl wird eilig auf eine Papierserviette gekritzelt und los geht’s mit überwiegend bekannten Bluesrock-Klassikern von Tony Joe Whites Swamp-Blues „Steamy Windows“ über Albert Kings „Born Under a Bad Sign“, das Traditional „John the Revelator“, das durch die Blues Brothers berühmt gewordene „Sweet Home Chicago“ bis zu dem durch Muddy Waters‘ Version bekannten „Got My Mojo Working“, dessen schlüpfriger Refrain gern mitgesungen wird. Big Joe Williams‘ Delta-Blues „Baby Please Don’t Go“ und Chuck Berrys „Johnny B. Goode“ rock’n’rollen ohne Kinkerlitzchen, während „Papa was a Rolling Stone“ mit funkiger Gitarre wie bei den Temptations beginnt, im Mittelteil aber eine Art Red-Hot-Chili-Peppers-Rap erhält. Vdelli packt nicht nur bei „Hey Joe“ die Hendrix-Wah-Wahs aus, sondern zeigt sich insgesamt als vielseitiger Rockgitarrist und prima Sänger mit einer angenehm rauen Stimme. Engellandts Schlagzeugspiel und Webers Kontrabass bilden ein festes Fundament, suchen kurz Rockabilly-Gefilde auf und steuern knappe, aber prägnante Soli bei. Als sich nach zwei 45-minütigen Sets das Publikum zu zerstreuen beginnt, gibt es noch einen überraschenden Nachschlag. Tom Freitag holt die Band, die sich übrigens erst auf Nachfrage des Autors dieser Zeilen den Namen Vdelli & Friends geben, noch einmal auf die Bühne. Mit dem Dreier aus „Before You Accuse Me“, „Cocaine“ und „Crossroads“ wirbt er für die Blues-und-Rock-Nacht am nächsten Samstag im Lalu, an der er mit Claptonmania teilnehmen wird. Nicht vergessen werden soll: Das Alternativkonzert gab es umsonst. Ray Wilson soll seinen Auftritt im April kommenden Jahres nachholen. Genießen wir die Vorfreude auf „Genesis Classic“ also noch ein wenig länger. Dewezet 09.10.17