„Hameln, könnt ihr jauchzen?“– „Yes, we can. Halleluja“

Jocelyn B. Smith begeistert beim achten „Jazztival“ im Lalu / Jo Bohnsack entfacht Boogie-Woogie-Tornado im Vorprogramm

Von Ernst August Wolf Hameln.

Es gibt gute Konzerte, sehr gute und Sternstunden. Der Auftritt der Funk- und Soul-Legende Jocelyn B. Smith bei der achten Auflage des Hamelner „Jazztivals“ im ausverkauften Lalu darf in eben dieser Kategorie verbucht werden. Schon der Beginn des Abends war spektakulär, entfachte der Westerländer Jazzpianist Jo Bohnsack doch einen Boogie-Woogie-Tornado ohne gleichen. Mit atemberaubender Virtuosität traktierte der smarte Mann im dunklen Anzug den Flügel ganz im Stil seiner großen Blues- und Boogie-Woogie Vorbilder Meade Lux Lewis oder Jimmy Yancey. Von kaum zu glaubender Kraft und Ausdauer die von Trillern und Tremoli durchsetzten Riffs der rechten Hand, für die die Tastatur des Flügels kaum auszureichen schien. Mehr noch, der Pianist überzeugte auch als Sänger mit einer Alexis-Korner-Stimme par excellence („Kriegt man, wenn man öfter mal mit Nordseewasser gurgelt“). Als Zugabe stellte das Temperamentsbündel mit einer Bachschen Fuge klar, dass das weit mehr als bloßes Vorprogramm war. Dann die Sternstunde. Die aus New York stammende, in Berlin lebende Jocelyn B. Smith setzte nach einigen charmanten Plaudereien über die Staus auf der A 2 mit einer vokalen Gospel-Fanfare das Startsignal zu einem sensationellen Konzert. Das für eine Sekunde erstarrte Publikum bejubelte die phänomenale Stimmkraft der Smith wie ein WM-Tor. Das Hamelner Publikum solle ihre grenzüberschreitende Musik voll und ganz genießen („just relax Hameln“), so Smith, die eine Symbiose von Jazz, Soul und Worldmusic präsentierte, wobei sowohl ihre expressive, klare und ausdrucksstarke Stimme, aber auch ihre Gestaltung leisester und zartester Stücke wie Meredith Monks „Gotham Lullaby“ faszinierten. Die Sängerin am Klavier wird dabei Teil der von ihrem Ensemble – Volker Schlott (Saxofon), Heiko Jung (Schlagzeug) und Hans-Dieter Lorenz (Bass) – erzeugten Klangwelten, ohne freilich die Kontrolle zu verlieren. Ein kurzes „Schneller Jungs“ und Heiko Jung erhöht die Schlagzahl. Produzent Volker Schlott genügten zwei, drei kongeniale Sopransax-Töne, um unerhört dichte Klangatmosphären zu erzeugen. Bei Finale und Zugaben entzündeten Boogie-Woogie-Komet und Gesangsstar noch einmal ein Feuerwerk. An diesem Abend gab es im Lalu auf Jocelyn B. Smith´ Frage „Hameln, könnt ihr jauchzen?“ nur eine Antwort. „Yes, we can. Halleluja.“

Dewezet 25.10.2010