Magische Momente in einer Welt artistischer Wunder

Weihnachtsvarieté im Lalu bezaubert mit starken Nummern

Von Karin Rohr Hameln.

Es ist eine Welt der kleinen Wunder, in die das Varieté im Lalu entführt. Eine Reihung von Kraftakten, die so schwerelos, poetisch und bezaubernd inszeniert sind, dass man sich staunend fragt: „Kann das alles wahr sein?“ Es kann. Immer wieder schaffen es die Artisten, mit scheinbar müheloser Eleganz zu verblüffen. Doch angesichts des Muskelspiels unter den hautengen Trikots und den bis ins Detail ausgefeilten Choreografien ahnt man, wie viel Training und Disziplin hinter den einzelnen Nummern stehen. Kaum noch zu toppen, was die Künstler beim 8. Hefehof-Weihnachtsvarieté bieten – egal, ob es sich um Jonglage, Handstand- oder Einradakrobatik, Equilibristik oder Papierreißkunst handelt. Was der jungenhafte Dustin Waree treppauf und treppab, beim Seilspringen oder mit verbundenen Augen auf einem Rad schafft, gelingt Untrainierten nicht einmal auf zwei Beinen. Und einen satten Rock’n’Roll bringt er stimmlich wie radelnd locker über die Rampe. Perfekt auch das Duo M. Lilley & Cortes Young, das sich gegenseitig die Bälle zuspielt. Oder streitig macht.

Die Jonglage der beiden dürfte auf der Bühne einmalig sein. Mal stecken sie unter einem Mantel und verblüffen mit verdeckten und offenen Ballspielen, ohne sich aus den Augen zu lassen. Mal begleiten intensive Blickkontakte eine Jonglage mit Keulen, die wie Hiebe durch die Luft sausen. Technik, Präzision und Können sind hier nur eine Seite der Faszination, die andere besteht im hinreißenden Spiel aus Annäherung und Abwehr, Glut und Kühle, Liebe und Zorn. Lilleys unschuldig-laszive Augenaufschläge, ihre ebenso kokette wie spröde Art mit ihrem Partner zu flirten, machen diese Nummern zum Highlight des Abends. So neu und lebendig erlebt man die uralte Kunst der Jonglage nur selten. Marina Skulditskaya beherrscht Handstandakrobatik mit vollendeter Grazie: Eleganz und Schönheit prägen die kraftraubende Choreografie, in der sich die junge Ukrainerin aus ihrem Schmetterlingskokon befreit und zum Gaukler der Lüfte mutiert. Papier ist geduldig, heißt es gemeinhin. Doc Shredder aber setzt es einer Belastungsprobe aus, die nichts mehr mit Geduld, sondern allein nur mit Kunst zu tun hat: Wenn er seine Geschichten erzählt und in aberwitziger Geschwindigkeit kleine Stücke aus Rollen oder gefalteten Bögen reißt, entstehen papierne Himmelsleitern, Figurenreigen oder Steuerräder. Kaum zu glauben, dass so etwas quasi nebenbei zu schaffen ist.

Das gilt auch für die waghalsigen Sprünge und Salti des perfekt aufeinander eingesielten Duos Daidalos, und nicht zuletzt für die „Muppet“-Show der Dolls Company, die im wahrsten Sinn des Wortes die Puppen tanzen lässt und so für Heiterkeitsausbrüche beim Publikum sorgt. Dass Moderator Robert Woitas als moderner Narr keine rhetorischen Mühen scheut, heimische Ortsnamen und Grimmsche Märchentitel zu neuen fantastischen Geschichten zu verarbeiten, ist ein Gewinn für den Abend. Schöner kann Varieté kaum sein.

Dewezet 30.11.12