Jazz-Trio Seide gastiert in der Traumfabrik „Lalu“ im HefeHof

Von Martin Jedicke Hameln.

„Schenke Dir Zeit. Befreie Dich von allen Ablenkungen. Schalte all Deine Telefone aus. Mach es Dir bequem. Genieße!“ empfiehlt Sabine Müller im Booklet der Debüt-CD „Passion, Pain & Poetry“, die sie mit ihrer Band Seide aufgenommen hat. Und um Leidenschaft, Schmerz und Poesie geht es in dem Liebeslieder-Zyklus, den das Trio in der gleichen Reihenfolge wie auf dem Album am Freitagabend im Lalu spielt. Konsequent beginnt Sabine Müller mit ihrem auch dort vorangestellten, titelgebenden Gedicht, dezent untermalt von Jan Miserre, der auf der Tour Tino Derado am Flügel ersetzt. Seide bieten durchaus watteweiche Arrangements, die sich – nun ja – seidig in die Gehörgänge schleichen. Doch bereits in „Past III“ streut Miserre perkussive Klavierpassagen ein, im Anschlag kräftiger, und auch Christoph Müllers melancholisch verhangene Posaune darf einmal schriller klingen. So geben die Livefassungen den Musikern mehr Raum für Solistisches, dennoch bleiben sie nachdenklich-balladesk. Besonders schön in „Kleiner blauer Vogel“, inspiriert von einem Goethe-Gedicht. Und hier wie in anderen Texten Sabine Müllers finden sich Romantik-Motive: Die Suche nach dem Moment der Transzendenz, der Wunsch nach dem Abwerfen der Fessel irdischer Gebundenheit, der Seelenflug, Mondschein, Traum und Liebe als thematische Klammer. Miserre gelingt es, sowohl das Schweben in der Schwerelosigkeit aus den Tasten zu zaubern, als auch den Flügelschlag zu assoziieren, der vor dem Absturz bewahrt. Denn wer Transzendenz erfahren will, so lehrt uns die Romantik, muss das Abenteuer wagen, darf die Gefahr nicht scheuen. „We’ll take a walk through dark woods“, heißt es in „Under The Cover Of The Night“. Sabine Müllers klare Intonation gibt den Worten Gewicht, lässt sie klingen, zu Musik, die sie überwiegend mit Christoph Müller gemeinsam komponiert. „Moonshine covers you, my dear“, singt sie in dem Gute-Nacht-Lied „Sleep Well“, als wache göttliche Schöpfungskraft über demjenigen, der losgelassen hat, der die Hektik des Alltags hinter sich gelassen hat, der die Telefone ausgeschaltet hat.

Dewezet 31.10.2012