Nachtausgabe mit dem Kabarettisten im „Lalu“: Was Hamelner und Paderborner fundamental unterscheidet

Von Karin Rohr Hameln.

„Suchet, so werdet ihr finden“, heißt es in der Bibel. Ein tröstliches Versprechen, das für Erwin Grosche allerdings nur bedingt gilt. Bei dem Künstler mit der spitzen Zunge endet das Suchen und Finden fast immer in einem Irrgarten, den er – irrsinnig komisch – lustvoll durchstreift. Zum Vergnügen seines Publikums, das sich nur allzu gern in Grosches große Welt entführen lässt, die dieser im Kleinen entdeckt – und uns auf seine Art schmackhaft macht. Mit ungezügeltem Wortwitz zelebriert Grosche satirische Lebenseinsichten und -ansichten, führt, sprachgewaltig und ironisch, aufkeimende Sehnsüchte nach einer besseren Welt ad absurdum und zaubert als Eisgenussverstärker den abhanden gekommenen Geschmack in die fade gewordene gefrorene Süßspeise. Grosche macht glücklich. Da ist sich das Publikum landauf, landab einig: Es amüsiert sich gnadenlos beim neuen Programm des Paderborner Kabarettisten, der in der Nachtausgabe im „Lalu“ als „Eisgenussverstärker“ Trostbilder und Glücksmomente beschert. Und mühelos dafür sorgt, dass die 26 Gesichtsmuskeln, die jeder Mensch besitzt, auch etwas zu tun haben. Es sei denn, dieser Mensch ist ein Paderborner. An dieser speziellen Menschengattung lässt der Kabarettist kein gutes Haar: „Der Paderborner“, schwadroniert er, „besitzt nur zwei bis drei Gesichtsmuskeln.“ Kein Grund, sich in Mitleid zu ergehen: Lipper sind nun mal für Lachnummern gut.

Grosche muss nicht gleich den Mund aufmachen, um Heiterkeit zu erzeugen: Es reicht schon, dass er da ist, und wie er auf der Bühne steht – ein Clown, der sich ein Stück Kindlichkeit bewahrt hat. Er schaut hin, beobachtet, nimmt seine Mitmenschen aufs Korn. Philosophiert gekonnt über Alltägliches und ergeht sich in Weisheiten, die so richtig schön albern sind, und in Albernheiten, die ganz schön weise rüberkommen. Erwin Grosche ist einer von uns. Und einer für uns.

Wunderbar, wenn er zu seinen (oft selbst gebastelten) Instrumenten greift, musiziert, singt. Denn auch das ist Erwin Grosche: ein Vielseitiger, der die Klaviatur der Unterhaltung perfekt beherrscht und sie virtuos rauf und runter spielt. Das begeisterte Publikum im „Lalu“ dankt es ihm mit brandendem Applaus, der Kabarettist belohnt es seinerseits mit drei Zugaben. Hamelner sind eben keine Paderborner: Hier besitzen die Menschen noch ihre 26 Gesichtsmuskeln…

Dewezet 09. März 2011