Von Andrea Gerstenberger
© Dewezet 26. Oktober 2008

Hameln. Klassik und Moderne, Reife und Frische, Flop und Top. Einen Abend der Gegensätze bot das diesjährige Hamelner Jazzfestival am Freitag im HefeHof. Das viel gerühmte sichere Gespür von Elisabeth Guske vom Kulturbüro der Stadt Hameln und Hausherr Dr. Jobst-Walter Dietz, hatte trotz Herbstferien zahlreiche Fans ins Lalu gelockt, für die der erste Teil des Abends allerdings enttäuschend war. Boogie-Woogie Pianist Joe Pentzlin verstand es nicht den Funken überspringen zu lassen. Um genau zu sein, es fehlte das Feuer, das einen Funken hätte abgeben können. Zu statisch, hölzern sein Spiel. Er bot Boogie-Woogie im guten alten New Orleans Stil, mit zum Teil interessanten Arrangements wie beim „St. Louis Blues“, oder auch dem bekannten „Glory Glory Halleluja“. Aber wer in diesem Jahr schon Jo Bohnsack oder auch den genialen Axel Zwingenberger als Vertreter dieser Sparte am gleichen Ort gehört hatte, dem fehlte einfach das Herzblut. Man vermisste die Spielfreude, die dem immer wiederkehrenden 4/4 Takt, in dem zwar viel Erfahrung zu hören war, durch eigenwilligere Interpretationen ein bisschen mehr Abwechselung hätte schenken können. Nicht ein Blick ins Publikum Dazu kam, dass der Göttinger, der in seiner Jugend in Hameln aufs Schiller-Gymnasium ging, nicht mit dem Publikum kommunizierte. Nicht ein Blick ging beim Spielen ins Publikum, so als würde er es gar nicht wahrnehmen. Somit war es nicht verwunderlich, dass sich die Begeisterung in Grenzen hielt und man versucht war, nach dem letzten Stück mit dem bezeichnenden Titel „Joe Go“, aufzuatmen. Ein wahres Jazz-Feuerwerk gab es dafür nach der Pause. Das „Julian und Roman Wasserfuhr Quartett“ nahm vom ersten Takt an die Zuhörer mit auf eine Reise durch grandiose Klaviersolos, gefühlvolle Basseinlagen und ein interessantes Schlagzeugspiel. Zusammen ein perfekter Rahmen für den Star des Quartetts – Julian Wasserfuhr an Trompete und Flügelhorn. Man kann es nicht glauben, mit welcher Technik dieser 20jährige seine Instrumente beherrscht. Gebannt hängt man an seinen Lippen und verfolgt die Atemtechnik, die so manche schnelle, unterbrechnungsfreie Tonfolge ermöglicht, die in bewunderndes Staunen versetze. Die Band stellte ihr Album „Remember Chet“ vor. Gefühlvolle Balladen mit bemerkenswerten Chorusse, die vergessen lassen, dass dort ein Youngster spielt. Nicht melancholisch, aber mit einer Nachdenklichkeit, die viel Sentimentalität vermuten lässt präsentierte der seinerzeit jüngste Student im Fach Jazztrompete die Eigenkompositionen, die seinem Vorbild Chet Baker gewidmet sind. Trotz ihrer Jugend sind die Wasserfuhrbrüder zu Recht schon eine feste Größe in der deutschen Jazz-Szene, haben sich aber auch in den USA bereits einen Namen gemacht. So entstanden viele Stücke in Boston, wie das über Gino den Schuhputzer, das zu einer fast viertelstündigen Session wurde, in der man zu Beginn sich auf die Straßen Boston versetzt fühlte und das zwar der Trompete gewidmet war, aber auch den Bruder Roman am Klavier, Markus Schieferdecker am Bass und Jonas Burgwinkel an den Drums, wie so oft an dem Abend gelungen in Szene setzte. Danach gab es für das Publikum keinen Zweifel. Dieser Gig allein war den Besuch mehr als wert gewesen, was in vehementen Forderungen nach Zugaben zum Ausdruck kam.