Gling, Glöckchen, glingelingeling

Die Kultlesung mit Traute Römisch und Rainer Steinkamp im Lalu Von Ernst August Wolf Hameln.

„Pass auf, dass Dir keine Flügel wachsen“, warnte Traute Römisch ihren Partner Rainer Steinkamp gleich zu Beginn, war der doch darauf erpicht, „endlich mal eine besinnliche Weihnachtslesung“ abzuliefern. Doch das Schicksal (und die Komik) waren gegen ihn, schon bei seinen ersten Worten übergoss eine Kellnerin einen Gast ungewollt mit einem großen Bier und auch Steinkamp hatte mit seinem Bemühen um Besinnlichkeit einen schweren Stand gegen die beschwingt und fröhlich agierende Traute Römisch. Singen? Gar solo? Ein lautstarkes, dreifaches „Nein“ des wütend über die Bühne tigernden Steinkamp erheiterte das Publikum im proppenvollen Lalu ebenso wie seine misslungenen Versuche, Römisch beim „Stadt-Land-Fluss“-Weihnachtssingen eins auszuwischen. Die war nicht auf den Mund gefallen, brachte selbst zu Buchstaben wie P und Y Weihnachtslieder zustande und begeisterte bei „G“ mit einem mitreißenden „Gling, Glöckchen, glingelingeling“ das Publikum. Eine Zwerchfell reizende Abendunterhaltung Die amüsante Mischung von Weihnachtstexten diverser Autoren wie Klabund, Morgenstern, Loriot, Gernhardt ist an sich schon von hohem Unterhaltungswert. Der jedoch wurde durch die gekonnte Inszenierung, die vom Kontrast des sich im Gegensatz der Geschlechter manifestierenden Verständnisses vom Weihnachtsfest lebte, und in einer gekonnten schauspielerischen Leistung zu einer Zwerchfell reizenden Abendunterhaltung. Glänzend etwa die Umsetzung von Hippe Habaschs völlig entgleisendem Familien-Weihnachtsabend, der in der lapidaren Feststellung gipfelt: „Klassische Feste sind einfach nicht unser Ding.“ Ergreifend die authentischen „Kinderwünsche“ süditalienischer Bambinis, voll naivem Zauber und unfreiwilliger Zeitkritik. Dazu eine deftige Prise schwarzen Humors in der heißen Affäre eines bayerischen „Weihnachtsbaumzweigerls“ mit einem „Kerzerl“, das das ganze Haus zum Raub der Flammen werden lässt. Und während die Kellnerin noch feudelte, verstrickten sich die beiden Akteure im Versuch einer Erklärung, was Weihnachten sei, in immer groteskere Theorien. Am Ende dann das, was jeder herbeigesehnt hatte, der von Traute charmant erzwungene Sologesang des Rainer Steinkamp. Der mühte sich brav mit „Ihr Kinderlein kommet“ gegen ihr zunehmendes Gezetere, ehe alles im lang anhaltenden Applaus unterging. Nach acht Jahren hat die Lesung Kultcharakter.