Deister- und Weserzeitung Hameln 27.11.2006
Von Ernst August Wolf
Hameln. Sie ist eindeutig eine der ganz großen deutschen Jazz-Stimmen. Im gut besuch-ten, aber unverständlicherweise nicht voll besetzten Lalu liefen Ulita Knaus und ihre Band zum Abschluss ihrer ausgedehnten Tournee noch einmal zu ganz großer Form auf.

"Sea Journey", der Titel ihrer letzten CD, stand auchüber dem Programm des mitreißenden Hamelner Konzertes, in dem schnell klar war, dass hier nicht jemand einfach die Titel der letzten CD durchnudelt oder sich auf süßliche Nachtclub-Standards aus den Fünfzigern beschränkt. Ganz im Gegenteil. Ulita Knaus ließ keinen Zweifel daran, dass sie ihre ausdrucksstarke und wandelbare Jazz-Stimme, die sich durch eine angenehme Klarheit der Intonation auszeichnet, perfekt mit dem ihr im Blut liegenden Rhythmus paaren kann, um dem an diesem Abend vielleicht etwas zu zurückhaltenden Hamelner Publikum Jazzgesang vom Allerfeinsten zu präsentieren.

Die Frage, ob die hochschwangere Ulita Knaus dabei durch ihre Leibesfülle an stimmlichem Volumen verloren hat, ist müßig, denn mit unerhörter Bühnenpräsenz und einer faszinierenden Ausstrahlung überzeugte die aus Salzgitter stammende Sängerin in allen Facetten: voll klarer Transparenz in den Höhen, mit leichtem Volumenverlustaber dennoch voll Wärme in der Tiefe, am stärksten in den langsamen Nummern nach der Pause, unübertrefflich in der ersten Zugabe, "Good Morning Heart ache", ebenbürtig der Billie Holiday Interpretation, freilich auf ganz andere Art.

Die Wellen ihrer Seereise wogten hoch bei von Mischa Schumann (Klavier) und Ulita Knausüberzeugend arrangier-ten Cover-Versionen wie Al Jarreaus "Fly" oder - absolut grandios - Jimi Hendrix' "manic depression" sowie Chick Coreas "Sea Journey", dem Titelsong ihres dritten Albums. Auch Ulita Knaus' Eigenkompositionen, etwa das swingend-beswingende "Four on the Floor", offenbarten ei-nen eigenen Stil, ebenbürtig den Großen des Genres. "Es geht ums Reisen, ums Suchen der wichtigen Dinge des Lebens", sagte Knaus nachdenklich, nicht ohne Emotion angesichts der Einsicht, dass die "Sea Journey" in Hameln endgültig im Hafen endet. Enttäuschend, dass das Lalu-Publikum da doch schon arg heftig aufgemuntert werden musste, ehe es sich bei der überzeugenden Bearbeitung von Lenny Kravitz' "Let love rule" zum Mitsingen bequemte.

Begleitet wurde Ulita Knaus von ihrer Stammband. Mischa Schumann (Klavier), Gerold Donker (Kontrabass), Heinz Lichius (Schlagzeug) und als Gast die wunderbare Gitarristin Sandra Hempel stellten mit furiosen Soli mehr als einmal ihre Klasse unter Beweis. Leider neigte der stellenweise zu laute Background dazu, Ulitas brillante Stimme ansatzweise zuzudecken.

Ulitas Seereise ist zu Ende. Schade. Doch war unüberseh-bar, dass sich ein neuer Lebensabschnitt meldet. Es wäre schön, wenn sich ihre Ankündigung "im nächsten Jahr wieder hier" bewahrheiten würde.

© Dewezet, 27.11.2006